Vor langer, langer Zeit in Japan gab es einen sehr kalten Winter. In einem tief im Schnee begrenzten Gebirge wohnte eine Schneefrau. Die Schneefrau hatte eine helle Haut, die so klar und durchsichtig wie Eis und Schnee war. Ihre Augen leuchteten wie die Sterne und ihr langes schwarzes Haar hing hinter ihr herab.
Die Schneefrau verbrachte normalerweise ihre Tage alleine und irrte durch das Gebirge. Sie schuf aus Eis und Schnee alle möglichen wunderschönen Szenen, wie beispielsweise Eisschlosser und Bäume aus Eisblumen. Doch in ihrem Inneren war sie sehr einsam, denn sie hatte weder Freunde noch Verwandte.

Eines Tages verlor sich ein junger sterblicher Mann im Gebirge und kam versehentlich an den Ort, an dem die Schneefrau war. Er fror und hungerte und sein Körper zitterte ununterbrochen. Als die Schneefrau diesen Mann sah, empfand sie ein Gefühl, das sie zuvor noch nie gekannt hatte. Sie trat zu ihm heran, statt ihn wie andere Eindringlinge mit Eis und Schnee zu vertreiben.
Der Mann war so überrascht von der Schönheit der Schneefrau, dass er kein Wort herausbringen konnte. Die Schneefrau winkte leicht mit der Hand und das umliegende Eis und Schnee verwandelten sich in ein warmes Lagerfeuer und leckeres Essen. Der Mann war der Schneefrau sehr dankbar und erzählte ihr seine Geschichte. Er war ein guter und mutiger Mann und war wegen der Suche nach wertvollen Kräutern versehentlich verirrt worden.
Von diesem Tag an traf sich die Schneefrau jeden Tag mit dem Mann. Sie gingen zusammen durch den Schnee und die Schneefrau lehrte den Mann, wie man aus Eis und Schnee lustige Kleinigkeiten machte, während der Mann der Schneefrau von der Welt außerhalb des Berges erzählte, von den lebhaften Märkten, den warmen Häusern und dem fröhlichen Lachen der Menschen.

Mit der Zeit verliebten sich die Schneefrau und der Mann. Ihre Liebe war wie die Sonne im Frühling und schmolz langsam das Eis in der Seele der Schneefrau. Die Schneefrau war nicht mehr so kalt und einsam wie zuvor und ihr Gesicht strahlte immer häufiger vor Glück. Der Mann liebte die Schneefrau auch zutiefst und er kümmerten sich nicht um die Identität der Schneefrau, sondern hoffte nur, für immer bei ihr zu bleiben.
Allerdings stand ihre Liebe vor großen Herausforderungen. Die Schneefrau war die Verkörperung von Eis und Schnee und konnte nicht lange von kalten Orten wegbleiben, während der Mann ein Sterblicher war und zur warmen Welt außerhalb des Berges gehörte.

Der Winter neigte sich dem Ende zu und das Wetter wurde allmählich wärmer. Die Schneefrau wusste, dass sie nicht länger bei dem Mann bleiben konnte und ihr Körper wurde immer schwächer. Der Mann sah die schmerzliche Haltung der Schneefrau und war sehr traurig. Er wollte die Schneefrau mitnehmen und gehen, um einen Ort zu finden, der sowohl für die Überlebensfähigkeit der Schneefrau geeignet war als auch es ihnen ermöglichte, zusammen zu sein.
Aber die Schneefrau wusste, dass dies unmöglich war. Sie weinte und sagte dem Mann, dass sie sich trennen mussten. Der Mann wollte diesen Tatsachen nicht akzeptieren und hielt die Schneefrau fest, um sie nicht gehen zu lassen.

Schließlich konnte die Schneefrau doch ihr Herz verhärten und löste sich aus der Umarmung des Mannes. Sie ging langsam in den Schnee hinein und während ihr Schatten immer weiter entfernt wurde, bedeckte das Eis und der Schnee erneut den Ort, den sie passiert hatte. Der Mann blickte in die Richtung, in der die Schneefrau verschwunden war, und wollte lange nicht fortgehen.
Obwohl die Schneefrau und der Mann sich trennten, blieb ihre Liebe fĂĽr immer in diesem tiefen Gebirge. Immer wenn der Winter kam, konnte man scheinbar noch die Schneefrau sehen, die durch das Gebirge irrte und in ihrem Herzen immer noch die tiefe Sehnsucht nach dem Mann trug.




